Dienstag, 14. September 2010

Unavatuna: Zu Besuch bei Buddah

Wie Deutsche am Wochenende in die Eifel oder ins Voralpenland fahren, machen Chennaities - so nennen sich die Menschen, die in Madras leben - einen Ausflug nach Sri Lanka. Nur eine Flugstunde entfernt, öffnet sich eine andere, buddhistische Welt.


Mayaelja findet neue Gäste total spannend. Sie erst dreieinhalb und ganz schön kokett für ihr Alter. Meinen Mango-Smoothie hat sie in drei Zügen ausgetrunken und man kann dem süßen Mädchen, Tochter einer deutschen Mutter und eines Sri Lankers, noch nicht mal böse sein. Mama schimpft schon wieder im Hintergrund auf English und Maya verdreht die Augen. 

Nach einer Stunde Flugzeit - Chennai - Colombo - waren wir per Auto mit Fahrer nach Unavatuna weitergefahren, ein Dörfchen, 130 Kilometer entfernt von der Hauptstadt, das noch nicht von den großen Hotelketten geschluckt wurde. Kleinere Pensionen, Restaurants und winzige Läden machen eine gemütliche Atmosphäre. Vor allem junge Leute aus der ganzen Welt hoffen, hier noch ein wenig von der Hippie-Atmosphäre mitzukriegen, die das Dorf einmal auszeichnete. 
        
Wie an vielen Orten Asiens ist aber auch hier das Zeitalter des Wassermanns längst Geschichte. Nach dem Tsunami, der über 3500 Bewohnern das Leben kostete, wurde alles eilig wiederaufgebaut und präsentiert sich den Urlaubern seither in neuem Kleid. Vor dem Frühstück macht Mayaeljas Vater seine Morgenmeditation, während Mutter und Tochter bereits um 8 Uhr am Strand sind. Die Familie ist bei Simona im Secret Garden eingezogen, einer kleinen Pension, die aus einem Haupthaus und vielen kleinen Gartenbungalows besteht. Alles ist typisch Sri-Lankisch eingerichtet, unser Himmelbett mit einem Mosquitonetz von den Quälgeistern geschützt. Secret Garden war nach der großen Katastrophe fast ganz kaputt. Nur der Dom (eine Art Kuppelhaus) sei nicht zerstört worden, sagt Simona, eine Schweizerin, die sich schon lange vor dem Tsunami dort angesiedelt hatte.

Morgens um 9 Uhr hatte ein Freund die große Welle bereits entdeckt und das ganze Haus und die Nachbarschaft alarmiert. Alle sind dann den Hügel hinterm Haus raufgeklettert, der von dichtem Dschungelgewächs überwuchert und mit großen Steinbrocken übersät ist.

Simona musste mit ansehen, wie all ihr Hab und Gut unter der Flut begraben wurde. "Lange stand das Wasser noch dort, aber man konnte schon sehen, dass einige tragende Wände und der Dom fast unversehrt waren." 

Die Schäden sind längst behoben, doch um die über 3500 Opfer trauern immer noch viele. "Ein Mann, der wusste, dass die Riesenwelle kommt, wollte noch schnell seinen Laptop und sein Handy am Strand holen. Man hat nie wieder etwas von ihm gehört", sagt Simona traurig. An einer Stelle am Wegesrand finden wir einen Gedenkstein für eine schwedische Touristin, auf dem nichts weiter steht als der Name und der Todestag der Frau. Ansonsten erinnern nur noch Fotos an die Katastrophe, die uns Simona und einige der Restaurantbesitzer zeigen, deren Lokale wir besuchen.

Mayaelja und ihr Vater laden uns zum Besuch ins nahe gelegene Kloster ein. Vor über zehn Jahren war er das letzte Mal dort und kennt den Klostervorsteher persönlich. Eine riesige Freitreppe führt den Berg zum Kloster hinauf . Die Stufen sind am frühen Morgen schon heiß gebrannt. Auf heiligem Boden bewegen wir uns trippelnd barfuß, haben unsere Schuhe unten gelassen. Oben weht ein leichter Wind und die Aussicht auf das Tal ist atemberaubend. Große rundliche Felsbrocken, Palmen und dichte Sträucher, aber auch kleine Häuser und Hütten. Mittlerweile gibt es in Sri Lanka kaum noch Landschaften, wo nicht die ein oder andere Ansiedlung zu finden ist. Die Insel wird langsam zu eng für all die Bewohner und Touristen.

Auch im Tal ein paar Hütten, wenn auch schön unter den Palmen versteckt. Das Tempelgelände scheint wie verzaubert. Nur ein einzelner Mann sitzt dort - vielleicht ein Student - vertieft in ein Buch oder Unterlagen, in denen er für sein Studium lernt. Über ihm schwebt ein Banner mit den typischen Regenbogenfarben des Buddhismus sowie eine Fahne mit einer Königskobra. Und als ob das Zeichen das heilige Tier herbeigerufen hätte, kriecht eine Kobra aus dem Gras heraus. Mayaelja kreischt begeistert auf, als sie den aufgerichteten Kopf mit der typischen Augenzeichnung entdeckt. Doch zu spät, für ein Foto reicht es nicht. Zu scheu sind diese Schlangen, als dass sie Interesse daran hätten, menschliche Bekanntschaft zu machen und wehren tun sie sich nur, wenn sie in die Enge getrieben werden oder man zufällig auf sie tritt.
Eine riesige Buddhastatue blickt über das Tal und ihre Füße sind so lang wie Mayaelja groß ist. Begeistert posiert sie vor der Skulptur in ihrem Lieblingsrock, der dauernd auf dem Boden schleift. Ihr Vater lässt ihr kopfschüttelnd die Freude an dem Kleidungsstück.

Zwischen den Wurzeln eines Banyan-Baum thront ein weiteres Buddha-Bild. Unter einem dieser Bäume aus der Familie der Feigen soll der heilige Mann seine Erleuchtung erfahren haben, sagt man. Der Stamm bildet baumdicke Luftwurzeln aus, so dass eine einzige Pflanze aus mehreren zusammengewachsenen Bäumen zu bestehen scheint. Kleinere Figuren sitzen den größeren zu Füßen und sind Opfergaben von Anhängern des Buddhismus, der eigentlich keine Religion ist, sondern eine Art Glaubensrichtung und philosophische Weltanschauung.    


Später werden wir dank Mayas Vater dann im Kloster vom Abt empfangen. Er spricht perfektes Englisch und bittet uns in sein Büro. Sein Schüler überreicht uns daraufhin jeweils ein weißes Bändchen, dass er uns sorgfältig um die Handgelenke bindet. Das Band soll Glück bringen und trägt es, bis es von alleine abfällt. Dann muss man das Band - um seinen Respekt zu bezeugen - in einen Baum hängen oder in einen Fluss oder ins Meer werfen.


Wir sind beeindruckt von den Mönchen, doch Mayaeljas Vater, selbst Buddhist, findet das "diese Leute zu hochmütig sind". Er glaubt, dass sie sich für etwas Besonderes halten, weil sie Mönche sind, doch die wahre Weisheit liege darin, dass man sich eben nicht für einen Bevorzugten hält, sondern Bescheidenheit an den Tag legt. Das seien eben noch junge Seelen, meint er. Je älter die Seele, desto näher sei sie an der wirklichen Erlösung. 

Text und Fotos: Senya Müller